STUDIE
"Amerika zuerst!" Mit dieser Parole verkündete der US-Präsident Donald Trump einen neuen Kurs der Abschottung in der amerikanischen Außen- und Handelspolitik. Welche Auswirkungen hätte es auf die eigene Volkswirtschaft und den Rest der Welt, wenn die USA damit ernst machen? Wir haben dies simuliert – und die Ergebnisse zeigen: Protektionismus im internationalen Handel ist ein Verlustgeschäft.
Seit dem Amtsantritt von Donald Trump steigt die Gefahr, dass die USA in der Handelspolitik auf protektionistische Maßnahmen setzen. Der US-Präsident will damit Arbeitsplätze und Einkommen im eigenen Land sichern. Tatsächlich aber würden höhere Importzölle und andere Import-Erschwernisse den internationalen Handel schwächen und weltweit zu Einkommensverlusten führen – vor allem auch in den USA.
Im für die USA ungünstigsten Fall würde die jährliche Wirtschaftsleistung des Landes langfristig um 2,3 Prozent zurückgehen. Auf heutiger Basis entspräche dies einem Verlust des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Höhe von 415 Milliarden US-Dollar. Dies ist das zentrale Ergebnis einer Studie des ifo Instituts in unserem Auftrag.
Rückführung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens schadet den USA
Der US-Wirtschaft würde es bereits schaden, wenn die nordamerikanische Freihandelszone Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse wie etwa technische Auflagen oder Dokumentationspflichten wiedereinführen würde. Zu der Freihandelszone gehören neben den USA Kanada und Mexiko. Langfristig würde das reale Pro-Kopf-Jahreseinkommen in den USA um rund 0,2 Prozent beziehungsweise 125 US-Dollar sinken. Nur in Kanada fiele die jährliche Einkommenseinbuße mit etwas mehr als 1,5 Prozent beziehungsweise rund 730 US-Dollar je Einwohner höher aus. Jährlich würde das BIP in Kanada um rund 26 Milliarden und in den USA um 40 Milliarden US-Dollar schrumpfen.
Viele andere Länder könnten hingegen leichte Vorteile daraus ziehen, dass der Handel zwischen den USA, Kanada und Mexiko zurückginge. Deutschlands jährliche Exporte in die USA würden den Berechnungen zufolge um rund 3,2 Prozent steigen. Parallel dazu würde das BIP um eine Milliarde US-Dollar wachsen.
Protektionistische Handelspolitik der USA lässt auch US-Exporte sinken
Größere wirtschaftliche Schäden würden sich einstellen, wenn die USA gegenüber allen Handelspartnern eine protektionistische Handelspolitik anwenden sollten. Würden die USA die Zölle sowie die nicht-tarifären Handelshemmnisse für Importe aus dem Rest der Welt um jeweils 20 Prozent erhöhen, so gingen im Gegenzug die US-Exporte in die meisten Länder um 40 bis 50 Prozent zurück. Grund: Die US-Industrie wäre weniger wettbewerbsfähig als bisher.
Mit dem Rückgang der Exporte wäre in den USA auch ein Rückgang des langfristigen Pro-Kopf-Jahreseinkommens um 1,4 Prozent beziehungsweise rund 780 US-Dollar verbunden. Das US-amerikanische BIP wäre rund 250 Milliarden US-Dollar kleiner. In Deutschland läge der entsprechende jährliche Pro-Kopf-Einkommensverlust bei rund 0,7 Prozent beziehungsweise 275 US-Dollar. Das käme einer BIP-Einbuße in Höhe von 22 Milliarden US-Dollar gleich.
Gegenmaßnahmen der übrigen Länder sorgen für hohe Einbußen
Sollten die übrigen Länder auf eine Abschottung der USA mit den gleichen Maßnahmen gegen die amerikanische Wirtschaft reagieren, würden die Einkommen weiter zurückgehen. Falls alle anderen Länder ihre Zölle und nicht-tarifären Handelshemmnisse gegenüber US-Produkten ebenfalls um jeweils 20 Prozent erhöhen, würde dies den Handel zwischen den USA und dem Rest der Welt erheblich einschränken. Für die US-Importe werden – je nach Land – Rückgänge um 50 bis 60 Prozent berechnet. Die US-Exporte in die einzelnen übrigen Länder würden sogar um 70 Prozent und mehr sinken.
Die Folge wären hohe Einkommenseinbußen: In den USA wäre das reale Pro-Kopf-Jahreseinkommen langfristig 2,3 Prozent beziehungsweise 1.300 US-Dollar geringer, in Kanada sogar 3,9 Prozent beziehungsweise rund 1.800 US-Dollar. Für Deutschland wäre ein Einkommensverlust in Höhe von 0,4 Prozent beziehungsweise rund 160 US-Dollar je Einwohner zu erwarten. Die langfristigen jährlichen BIP-Einbußen erreichen in Deutschland 13 Milliarden US-Dollar, in Kanada fast 65 Milliarden und den USA rund 415 Milliarden US-Dollar.
Für unseren Vorstandsvorsitzenden Aart De Geus sind diese Ergebnisse ein klares Argument gegen Protektionismus jeder Art:
"Wirtschaftliche Abschottung ist ein Verlustgeschäft für alle Handelspartner. Was wir brauchen, ist eine faire Handelspolitik, die den freien Austausch von Waren und Dientsleistungen ermöglicht und weltweit zum Wohle von Produzenten und Konsumenten wirkt." (Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung)
Für die Bewertung der Ergebnisse ist eines zu berücksichtigen: Das in der Studie verwendete Simulationsmodell berücksichtigt keine dynamischen Effekte wie etwa geringere Produktivitätsfortschritte, die sich bei einer wirtschaftlichen Abschottung wegen des nachlassenden Wettbewerbsdrucks ergeben. Außerdem sind die verwendeten Annahmen zurückhaltend. So wird beispielsweise eine Erhöhung der amerikanischen Importzölle um 20 Prozent berechnet. Tatsächlich drohen die USA einzelnen Ländern mit Zöllen in Höhe von 35 Prozent und mehr. Daher sind die in den verschiedenen Szenarien beschriebenen Entwicklungen sogar noch die Untergrenze dessen, wie der US-amerikanische Protektionismus die Weltwirtschaft beeinträchtigen könnte. (Quelle: Bertelsmann Stiftung, Dr. Thieß Petersen, Dr. Ulrich Schoof)